GESAMTPROKURA
ÄNDERUNG DER RECHTSPRECHUNG DES OBERSTEN GERICHTS (zum Herunterladen)
1. Änderung der Rechtsprechungslinie des Obersten Gerichts
Das Oberste Gericht hat in der Besetzung von sieben Richtern am 30.01.2015 einen Beschluss (III CZP 34/14) über die Eintragung der sog. unechten Gesamtprokura in das Unternehmerregister des Landesgerichtsregisters gefasst und die Registergerichte aufgefordert, fehlerhafte Eintragungen von Amts wegen zu löschen.
2. Bisherige Praxis
Bisher war die Praxis der Registergerichte uneinheitlich. Einige Registergerichte trugen Prokuristen, die zur Geschäftsführung lediglich gemeinsam mit einem Vorstandsmitglied der Gesellschaft berechtigt waren („zur Abgabe von Willenserklärungen im Namen der Gesellschaft ist es erforderlich, dass ein Vorstandsmitglied zusammen mit einem Prokurist handelt“), sog. unechte Gesamtprokura, im Unternehmerregister des Landesgerichtsregisters in der Rubrik „Prokuristen-Art der Prokura“ ein. Andere Gerichte hielten eine solche Eintragung für unzulässig. Wegen dieser uneinheitlichen Gerichtspraxis ist nun bei einer großen Gruppe von Unternehmern eine fehlerhafte Vertretungsart der Gesellschaft unter Teilnahme des Prokuristen im Handelsregister ersichtlich.
3. Zulässige Arten der Prokura
Der Gesetzgeber hat drei Arten der Prokura vorgesehen, d.h.:
- Einzelprokura – jeder Prokurist ist zur selbständigen Vornahme gerichtlicher und außergerichtlicher Handlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt, berechtigt
- Gesamtprokura – alle Personen, denen Prokura erteilt worden ist, müssen zur Vornahme einer Handlung eine Willenserklärung abgeben
- Niederlassungsprokura – der Umfang der Prokura ist auf Angelegenheiten beschränkt, die in das Register der Unternehmensniederlassung eingetragen sind.
Es gibt keinerlei Rechtsgrundlage für die Erteilung einer anderen Art der Prokura wie z.B. einer „Gesamtprokura mit einem Vorstandsmitglied“.
4. Unzulässige unechte Gesamtprokura
- Unechte Gesamtprokura (anders: gemischte Gesamtprokura), d.h. die Bestellung eines Prokuristen und das Aufzwingen ihrer Ausführung ausschließlich gemeinsam mit einem Vorstandsmitglied.
5. Aus der Begründung des Beschlusses des Obersten Gerichts
„Die Prokura kann mehreren Personen gemeinsam (Gesamtprokura) oder gesondert erteilt werden.“ Dies bedeutet jedoch nicht, dass die zweite Person jemand anders als der Prokurist sein kann. Eine solche Möglichkeit soll gem. Art. 1094 § 1 poln. ZGB in der Vorschrift ausdrücklich vorgesehen werden.
- Kern der Prokura – Prokuristen können selbständig (Einzelprokura) oder auch mit anderen Prokuristen (Gesamtprokura) sämtliche Geschäfte vornehmen, die mit dem Betrieb des Unternehmens der Gesellschaft verbunden sind (abgesehen von Geschäften, die mit der Veräußerung bzw. befristeten Überlassung des Unternehmens sowie mit der Veräußerung und Belastung des Grundstücks verbunden sind).
- Es ist unzulässig, die Wirksamkeit einer Willenserklärung eines Prokuristen von dem Willen eines Vorstandsmitglieds abhängig zu machen. Der Prokurist wäre dann kein Bevollmächtigter der Gesellschaft, sondern nur ein Helfer des Vorstandsmitglieds (des Vorstands).
- Die Erteilung der Prokura muss an mehrere Personen gemeinschaftlich erfolgen, damit sie als Gesamtprokura angesehen werden kann.
- Art. 205 und Art. 373 poln. HGGB bezüglich der gemischten Vertretung durch ein Vorstandsmitglied und einen Prokuristen bieten keine Grundlage für die Erteilung einer unechten Gesamtprokura. Die beiden Artikel berücksichtigen den Fall, dass der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung der Gesellschaft keine Regelungen zur Vertretung enthalten und der Vorstand der Gesellschaft mehrköpfig ist.
6. Konsequenz
Das Oberste Gericht weist darauf hin, dass die Folgen von Rechtsgeschäften, die bisherunter Teilnahme von fehlerhaft bestellten Prokuristen vorgenommen wurden, aufgrund der Verkehrssicherheit und mit Rücksicht auf die abweichende Praxis der Registergerichte nicht angefochten werden können. Die im Beschluss des Obersten Gerichts vertretene Auslegung der Vorschriften soll ab dem Datum der Beschlussfassung gelten.
- Für Registergerichte:
– Pflicht zur Löschung fehlerhafter Eintragungen von Amts wegen. - Für Unternehmer:
– Notwendigkeit der Änderung der im Register fehlerhaft eingetragenen Vertretungsart der Gesellschaft.
Die Registergerichte werden die Vertretungsart wahrscheinlich aufgrund mit der großen Anzahl fehlerhafter Eintragungen bei Gelegenheit, d.h. bei einer eventuellen Antragstellung durch Unternehmer prüfen. Bei Feststellung eines Fehlers werden sie den jeweiligen Unternehmer zur Behebung der Mängel-Änderung des Gesellschaftsvertrages/der Satzung der Gesellschaft auffordern.
- Ungewissheit über die künftige Einstellung der ordentlichen Gerichte zu eventuellen Einwänden gegen die nicht ordnungsgemäße Vertretung der Gesellschaft bei Rechtsgeschäften, die durch fehlerhaft bestellte Prokuristen vorgenommen wurden, da der Beschluss des Obersten Gerichts (7) vom 30.01.2015 (III CZP 34/14) für sonstige Gerichte nicht bindend ist, was bedeutet, dass diese Gerichte anders entscheiden können.
- „Rechtsschöpfung“ des Beschlusses = Konnte das Oberste Gericht über die Folge ex nunc entscheiden?
7. Hinweise für Unternehmer
Einführung einer Beschränkung für ein Vorstandsmitglied in den Gesellschaftsvertrag oder in die Satzung der Gesellschaft bezüglich der Abgabe von Willenserklärungen gemeinsam mit einem Prokurist. Dies ist zulässig, da sie nicht die Berechtigungen des Prokuristen, sondern (nur) des Vorstandsmitglieds beschränkt.
- Bestellung eines zweiköpfigen Vorstands und zweier Gesamtprokuristen.
In einem solchen Fall sind keine Änderungen im Gesellschaftsvertrag oder in der Satzung der Gesellschaft erforderlich, da bei fehlenden Regelungen zur Vertretungsart Art. 205 und Art. 357 poln. HGGB über die Gesamtvertretung von zwei Vorstandsmitgliedern oder von einem Vorstandsmitglied mit einem Prokurist anwendbar sind.
- Notwendigkeit der Bestellung eines zweiten Gesamtprokuristen, wenn die Gesamtprokura bisher nur einer Person erteilt worden ist.
Die vorliegende allgemeine Information ersetzt nicht eine individuelle Beratung, die einen konkreten Fall berücksichtigt.
Zbigniew Jara
Senior Partner
radca prawny / Rechtsanwalt
Kompetenzen:
Gesellschaftsrecht, Unternehmenskäufe (M&A), Handelsrecht, Joint Ventures, Projektentwicklung und –finanzierung, Kartellrecht.
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